Es herrscht ein reges Treiben in der alten Gymnastikhalle. Bis jeder seinen Platz und Nachbarn gefunden hat vergehen einige Minuten.

Jetzt noch alle in die Kamera schauen, für einen Augenblick die Gespräche einstellen und lächeln. Punkt 10 Uhr und 2 Minuten drückt der Fotograf den Auslöser. Ich habe es mir einfach gemacht und mich genau unter der Uhr platziert. 

Als ich mich 20 Jahre später nachmittags mit meiner Familie auf den Schulweg begebe, bin ich etwas aufgeregt. Waren es damals die vielleicht vergessenen Erdkunde-Hausaufgaben sind es heute die Fragen „Wer kommt alles? Und was erzählt man sich nach 20 Jahren?“ Einigen läuft man ja immer wieder mal zufällig über den Weg, andere habe ich seit der Zeugnisvergabe nicht mehr gesehen. 

Als wir zum Sektempfang in der Oberen Wappenhalle eintreffen, bin ich beruhigt. Es fühlt sich ein bisschen so an wie nach etwas ausgedehnteren Sommerferien. Gut, die ein oder andere Frisur hat sich verändert, aber wie bringt es eine Mitschülerin auf den Punkt: „Ich bin positiv überrascht, ich hatte mit Glatzen und Bierbäuchen gerechnet!“ Und es heißt nicht mehr Erndtebrück und Littfeld, sondern Lörrach und Berlin.

Ich habe extra noch einmal auf unserem Abi-Shirt nachgezählt. 56 Namen zu denen ich 23 freudestrahlende Gesichter zuordnen kann. Und auch zwei weitere bekannte Gesichter erkenne ich wieder: Burghard und Alexandra Würtz. Die beiden führen uns durch die heiligen Hallen des Stiftes. Der Rundgang startet im Neubau, der nach unserem Abitur entstanden ist, und endet in den längst umfunktionierten Räumen der ehemaligen Lehrerbibliothek. Habe ich hier nicht erst vor kurzem zwischen Bücherregalen gesessen und mit Blick auf den Abteigarten meine Englisch-Klausur nachgeschrieben? Jetzt sitzen wir wieder über unseren Klausuren – Einblick in unsere Abiturklausuren.

Bevor es weiter ins „Alte Wärterhaus“ geht, wo schon eine Hand voll unserer ehemaligen Lehrer:innen auf uns wartet, steht noch ein letzter Programmpunkt auf dem Plan. Für die Familien geht es auf einer Schulrallye Richtung Stiftsschaf – unser Abschiedsgeschenk an das Stift Keppel.

Für mich geht es in die alte Gymnastikhalle. Schnell auf meinen Platz. Dieselbe Uhr hängt immer noch. In die Kamera schauen, Gespräche einstellen und lächeln. 20 Jahre später drückt der Fotograf den Auslöser um Punkt 17 Uhr und 13 Minuten. Aber die Zeit scheint in diesem Moment sowieso stehen geblieben zu sein – und das ist auch gut so.

 

Thomas Lörk