Oder so ähnlich. Und wie kam das?

Nach 2009 und 2013 ist es im September 2017 zum dritten Mal in Folge gelungen, dass Schülerinnen und Schüler der Oberstufenkurse in Sozialwissenschaften, in diesem Fall der Leistungskurs in der Q1 von Frau Pruß, am Wochenende der Bundestagswahl nach Berlin reisen konnten, um den Ausgang der Bundestagswahl auf den zentralen Wahlpartys der Bundestagsparteien zu erleben – in den Parteizentralen mit allem drum und dran, also mit Spitzenpolitikern und viel Medienpräsenz auf Schritt und Tritt.

Aber der Reihe nach: Fragt man einige Monate vorher bei den Bundestagsparteien an, ob man am Wahlabend mit einer Schülergruppe zu Gast sein dürfe, gibt es allerorten erstaunte Reaktionen. Die sog. kleineren Parteien veranstalten in aller Regel öffentliche Wahlpartys außerhalb der eigenen Gebäude, zu denen man keine gesonderte Zutrittsberechtigung benötigt. Bei den Volksparteien allerdings muss man Klinken putzen, am Wahlabend selbst haben sie wenig Platz für viele Interessenten aus der eigenen Partei und (teilweise auch internationale) Medienvertreter. Da ist also Überzeugungsarbeit, Geduld und Beharrlichkeit nötig, wenn man „nur“ mit Schülerinnen und Schülern kommen möchte und kein Parteimitglied ist. Letztlich ist es aber gelungen – nach gefühlten 200 Telefonaten und Mails. Die teilweise etwas erstaunte Reaktionen in den Parteien legt den Schluss nahe, dass das Stift eine von ganz wenigen Schulen in Deutschland ist, die eine Fahrt im Programm hat – vielleicht die einzige überhaupt.

Mit einem Platz auf der Gästeliste in der Tasche ging es dann am Samstag (23.9.17) vor der Wahl mit dem Zug los in Richtung Berlin. Nachdem wir uns in unserem Hostel eingerichtet hatten, standen für den Samstag aber noch zwei Programmpunkte an. Zunächst haben wir die Mauergedenkstätte an der Bernauer Straße besucht und dort einige Überreste der ehemaligen Sperranlage besichtigt. Betroffen und voller Unverständnis haben wir u.a. die Bilder der Mauertoten gesehen – unter ihnen auch Kinder, Säuglinge und Menschen, die wenige Monate vor dem Fall der Mauer bei einem Fluchtversuch ums Leben kamen.

Später am Nachmittag ging es dann nicht nur ins Zentrum der Hauptstadt, sondern auch ins Zentrum des politischen Geschehens. So haben wir im Reichstagsgebäude einen Informationsvortrag über die Arbeitsweise des Parlamentes gehört. Jonas Klimke hatte den Besuch organisiert.

Der Abend sollte bei einem gemeinsamen Essen ausklingen, leider hatte das Restaurant die Reservierung für unsere Gruppe zwar telefonisch angenommen, aber keinen Tisch für uns bereit, so dass sich kleine Gruppen gebildet haben, die sich individuell verpflegt und danach z.B. noch den Fernsehturm besichtigt haben.

Auch der Sonntag (24.9.17) stand ganz im Zeichen der politischen Bildung. Den Auftakt machte eine Führung im ehemaligen Untersuchungsgefängnis des Ministeriums für Staatssicherheit der DDR (Stasi), bei der wir hautnah geschildert bekamen, wie politische Gefangene unter physischen und vor allem psychischen Druck gesetzt wurden. So denkt man sich als Häftling zunächst nichts dabei, wenn man z.B. die Wahl zwischen einer warmen und einer kalten Zelle hat. Dass die eine Zelle aber Temperaturen von knapp 40 Grad beinhaltet, während man in der anderen Zelle frieren muss, merkt man dann, wenn man sich entschieden hat. Aber man hatte ja vermeintlich die freie Wahl.

Auf der Rückfahrt von Hohenschönhausen gab es viele nachdenkliche Gesichter. Welchen Druck hätte man selbst aushalten können? Was ist die eigene Freiheit Wert? Hätte man sich mit der Diktatur arrangiert? Wäre man zum Mittäter geworden? Wer trägt die Schuld?  Wir sind wohl alle froh, diese Fragen nicht in der Praxis beantworten zu müssen.

Am späten Nachmittag machten wir uns dann auf zum Konrad-Adenauer-Haus, der Parteizentrale der CDU Deutschlands. Die Kursmitglieder hatten sich im Laufe des Tages einstimmig dafür entschieden, zur stärksten Regierungspartei der ablaufenden Legislaturperiode zu gehen. Wir haben den ganzen Abend hier verbracht.

Bis es die erste Hochrechnung nach Schließung der Wahllokale um 18.00 gab, haben wir uns die Zeit damit vertrieben, das bereitgestellte Buffet zu testen (16 Gerichte – für jedes Bundesland eines), Leute zu beobachten, kleinere und größere Gespräche zu führen, uns vor Fernsehkameras zu schmuggeln und zu versuchen, in den eigens abgesperrten inneren Bereich der Feier zu gelangen. Das hat leider nicht geklappt. Schade! Die Bundeskanzlerin weiß gar nicht, was sie verpasst hat, dass sie uns nicht hautnah treffen konnte!

Bei der Bekanntgabe des Wahlergebnisses gab es bei der CDU nicht nur erfreute Gesichter. Stärkste Partei ist sie geworden, aber mit großen Verlusten. Kurz: Die Stimmung war betreten, man hätte zeitweise eine Stecknadel fallen hören können. Das änderte sich im Laufe des Abends ein wenig, von Euphorie war bei der Wahlsiegerin allerdings nichts zu spüren.

Wir verbrachten den restlichen Abend u.a. damit, von diversen Medien (z.B. Wall Street Journal) interviewt zu werden, Ausschau nach Politprominenz zu halten, Interviews im Fernsehen zu sehen und zu geben, über den Wahlausgang zu diskutieren, nochmal zum Buffet zu gehen, Atmosphäre zu schnuppern, mit ausländischen Journalisten zu reden, nicht von Lutz van der Horst von der heute show befragt zu werden, von der Security wegkomplimentiert zu werden, weil die Kanzlerin gleich mit Auto fahren will usw.

Gegen 22 Uhr ging dann ein für alle Beteiligten aufregender und einmaliger Wahlabend zu Ende. Am nächsten Tag ging es zurück nach Hilchenbach.

 

Wer u.a. sehen möchte, wie Frau Pruß vom belgischen Fernsehen interviewt wird, Herr Danger sich auf ein Bild mit dem hessischen Ministerpräsidenten schmuggelt, wie es sonst bei der CDU war und und und, klickt die Bilder unten an.