MOMO - Das Moderatorenmodell


Gewalt in der Schule – eine alltägliche Erscheinung, die uns in vielerlei Schattierungen begegnet – von verbaler „Anmache“ und Beschimpfungen über kleinere Streitereien und Rempeleien bis zu Prügeleien, der Beschädigung von Eigentum, den körperlichen Attacken und sexistischen Beleidigungen.

Gewalt in der Schule hat viele Gesichter, verschiedenartige Ursachen und unterschiedliche Erscheinungsformen – und sie hat eine Gemeinsamkeit: fast alle am Schulleben Beteiligten leiden unter schulischer Gewalt, die einen mehr, die anderen weniger, je nachdem, ob man Täter, Opfer oder Mitläufer, Vater, Mutter, Lehrer oder Lehrerin ist.

Deshalb arbeiten wir - Schüler, Lehrer, Eltern - zusammen in verschiedenen Bereichen, um Gewalt in allen Formen zu erkennen, ihr in unserer Schule vorzubeugen und um Opfern zu helfen. Die Schüler/innen lassen sich in einer Arbeitsgemeinschaft (AG) ausbilden.

Schon 2001 haben wir erstmals versucht, Schülerinnen und Schüler dahin zu bringen, Streit und Gewalt selbst zu regeln. Im Streitschlichtungs-Projekt wurden Teilnehmer der Jahrgangsstufe 9 zu Mediatoren ausgebildet mit dem Ziel, Streit unter Schülern und Schülerinnen jüngerer Klassen durch ein Schlichtungsgespräch zu lösen. Da dieses Schlichtungsmodell eher passiv ist (die Schlichter warten darauf, dass Schüler und Schülerinnen sie ansprechen), nur auf freiwilliger Basis arbeitet und schon viel Einsicht bei den „Streithähnen“, die ein Schlichtungsgespräch wünschen, voraussetzt, wurde es nicht so wie gedacht angenommen.


Dies hat uns – eine Arbeitsgruppe aus Eltern, Lehrerinnen und Lehrern sowie Schülerinnen und Schülern – dazu bewogen, ein neues, ein aktiveres Modell einzuführen, das die positiven Seiten des Schlichtungsmodells beibehält (ältere Schüler und Schülerinnen „helfen“ den Kleineren bei alltäglichen Problemen, sie sind Ansprechpartner und Streitschlichter), allerdings aktiver und eingreifender im Sinne von Gewaltvorbeugung arbeitet. Unser MOMO-Projekt basiert auf den Erfahrungen von Wolfgang Kindler (W. Kindler: Gegen Mobbing und Gewalt. Ein Arbeitsbuch für Lehrer, Schüler und Peergruppen, Kallmeyersche Verlagsbuchhandlung 2002).


So wurden im Schuljahr 2005/06 erstmals 23 freiwillige Schülerinnen der Klassen 9 von Frau Dr. Müller, Herrn Rahmer und Frau Wilck zu Moderatoren bzw. Paten ausgebildet – sie arbeiteten theoretisch und praktisch (viel in Rollenspielen) zu den Themen „Streit, Gewalt, Konflikte“ und zu „Mobbing in Schulklassen“, beschäftigten sich mit verbaler und nonverbaler Kommunikation, ließen sich zu Streitschlichterinnen ausbilden und arbeiteten kräftig an einem Konzept zum eigenständigen Einsatz in ihren Patenklassen. Auch in den folgenden Schuljahren fanden sich interessierte und engagierte Schülerinnen und Schüler der Jahrgangsstufe 9, die sich zu Moderatoren bzw. Paten ausbilden ließen und lassen.


Nach der Ausbildung bekommt jede Moderatorengruppe (drei bis vier Schülerinnen) eine neue Klasse der Jahrgangsstufen 5, für die sie zwei bzw. drei Jahre als Paten bzw. Moderatoren zuständig sind: Konkret heißt das, sie sollen den neuen Schülern und Schülerinnen im alltäglichen Ablauf der neuen Schule helfen, sie sind Ansprechpartner für alle möglichen Probleme und kleineren oder größeren Sorgen, sie arbeiten aber auch eigenständig in und mit den Klassen und versuchen mit spielerischen Mitteln die Themen Streit, Konflikt, Mobbing und Gewalt aufzuarbeiten, um die Klasse zu sensibilisieren, im positiven, konstruktiven Sinn mit Streit und Konflikten, die es im Schulleben und in Klassengemeinschaften immer gibt und geben wird, umzugehen, um zu einer guten Klassengemeinschaft heranzuwachsen, in der so etwas wie Gewalt oder Mobbing angesprochen und nicht totgeschwiegen, thematisiert und nicht vergessen, aktiv bearbeitet und nicht passiv erduldet wird, in der mit Konflikten im konstruktiven Sinn umgegangen wird.

Vielleicht trägt ja das MOMO-Projekt in Verbindung mit den vielen anderen Projekten im Rahmen der Gewaltprävention dazu bei, dass Stift Keppel in all den Veränderungen der letzten Jahre und in einer veränderten Gesellschaft eine Schule bleibt, in der alle Beteiligten in einem konfliktarmen Raum leben und arbeiten können.

 

Thomas Rahmer, November 2020