Wir, der Geschichtszusatzkurs der Q2, haben uns gemeinsam mit Herrn Pohl überlegt, zum Thema „2. Weltkrieg“, mit dem Schwerpunkt auf den Aspekten Vertreibung, Flucht und Lebensverhältnisse, mehrere Zeitzeugen über ihre persönlichen Erfahrungen zu befragen.

 

Einige unserer Bekannten und Verwandten erzählten bereitwillig über ihre Kriegserlebnisse, die dabei gemachten Erfahrungen und damit verbundenen Gefühle und Emotionen. Zudem hatten wir das Glück, dass sich ein Zeitzeuge bereit erklärte, uns im Unterricht am 21.01.2014 zu besuchen, um uns über seine Zeit während des Krieges und in der Nachkriegszeit zu berichten. Bei einer Tasse heißen Kaffees und einem leckeren Stück Kuchen erzählte unser Gast (geb. 1936 in Ostpreußen), offen und wortgewandt einen bewegenden Teil seiner Lebensgeschichte, mit besonderem Fokus auf den erlebten Vertreibungen.

Zu Beginn gab er unserem Kurs eine kurze Übersicht über sich, seine Familie und seine Herkunft und fing an, seine Chronik ab dem Jahre 1944 zu schildern: Im Winter 1944 erlebte er gemeinsam mit seiner Familie, bestehend aus Mutter und fünf Geschwistern, die erste von drei Vertreibungen.
Gegen Ende Oktober, als die Temperaturen schon -20 Grad Celsius erreicht hatten, sollten sie auf Befehl der Russen planmäßig aus ihrem Elternhaus vertrieben werden. Jedoch widersetzten sie sich diesem Befehl und flüchteten auf die gegenüberliegende Flussseite, wo sie unter schlimmen und ärmsten Bedingungen lebten.
Anfang des Jahres 1945 folgte die zweite Vertreibung, bei der sie unter Aufsicht der russischen Soldaten in die nächste Kreisstadt verwiesen wurden. Sie mussten eine ca. 17 km lange Strecke zu Fuß zurücklegen, welche sie unter anderem über ein Schlachtfeld, mit vielen- seit Monaten toten- Menschen, führte. Dort mussten sie schwere körperliche Arbeit leisten, die aufgrund der tiefen Temperaturen und der Unterernährung bei tausenden von Menschen zum Tode führte. Durch die Folgen des harten Winters kam es im Sommer zu großen Überschwemmungen, welche Auslöser für eine extreme Mückenplage waren, und somit zu vielen Krankheiten, wie Malaria, führten. Im Jahr 1947 musste er aufgrund des Todes seines älteren Bruders schon mit 11 Jahren die Rolle des Vaters übernehmen, da dieser 1942 in den Krieg eingezogen wurde. Um an Nahrung zum Überleben zu gelangen, nahm er gemeinsam mit seiner Mutter mehrmals einen 38 km langen Fußweg auf sich, damit sie auf dem Markt eigene Wertsachen gegen notwendige Lebensmittel eintauschen konnten.
Im Oktober 1948 folgte schließlich die dritte und längste Vertreibung. An seinem 12. Geburtstag erfolgte der Aufbruch ins Ungewisse, da sie nicht wussten wohin die überfüllten Viehwagons sie bringen würden. Nach ihrer 8-10 tägigen Fahrt, ohne sanitäre Ausstattung und unter unmenschlichen Bedingungen, gelangten sie nach Thüringen. Dort lebte er gemeinsam mit seiner Mutter und seinen noch lebenden Geschwistern acht Jahre lang, besuchte dort einige Jahre die Schule und schloss eine Tischlerlehre ab. Im Alter von 20 Jahren ließ er Thüringen hinter sich und gelangte in seine neue Heimat, das Siegerland. Dort baute er sich eine eigene Existenz auf und gründete eine Familie. Somit endete die leidvolle Erfahrung der Vertreibung.

Wir danken unserem Zeitzeugen für dieses informative und emotionale Gespräch, das uns einen interessanten und lehrreichen Einblick in die damaligen Verhältnisse gegeben hat. Besonders im Gedächtnis blieb uns sein Fazit: „Das einzig Positive war, dass ich überlebt habe!“

Verena, Jessica & Hannah