11. 11. 2014, 11.20 Uhr: Im Rheinland fiel vor 9 Minuten der Startschuss für die „5. Jahreszeit“. Während am Kölner Alter Markt kräftig gefeiert wurde, schickte man sich in Stift Keppel an, eine historische Obstbaumpflanzung vorzunehmen.

Herr Theo Morgenschweiß aus Neunkirchen, Vorsitzender des Pomologen-Vereins Nordrhein-Westfalen, brachte zwei historische Apfelsorten in Form von zwei Hochstamm-Obstbäumen mit, die Stift Keppeler Renette (alias Doppelter Prinzenapfel) und den Kaiser-Wilhelm-Apfel. Daneben brachte er alles mit, was zur Apfelpflanzung benötigt wurde, einen Pfahl samt Kokosstrick zum Anbinden der Apfelbäume, engmaschiges Metallgitter zum Schutz vor Wildfraß, Metallschilder für die Sortenzuordnung und entsprechende Werkzeuge. Zusammen mit der von Herrn Girod betreuten Klasse 8 c ging es zur Streuobstwiese im Naturlehrgarten, wo die Schülerinnen und Schüler bereits vor Tagen die Pflanzlöcher ausgehoben hatten. Herr Morgenschweiß erklärte nun den Schülerinnen und Schülern, wie ein Obstbaum fachgerecht gepflanzt wird, was man bei dem ersten Obstbaumschnitt beachten muss und warum Obstbäume überhaupt von Zeit zu Zeit beschnitten werden müssen. Gemeinsam mit einigen Schülern wurde dann die Pflanzung vorgenommen.

Vorab lernten die Schüler bei Herrn Girod im Biologie-Unterricht, wie Obstbäume veredelt werden, warum eine Veredelung überhaupt notwendig ist um reine Sorten zu vermehren, was ein Edelreis und was eine Unterlage ist. Die Bedeutung von Streuobstwiesen als Biotop für viele zum Teil seltene Pflanzen- und Tierarten wurde ebenfalls dabei vermittelt.

Herr Morgenschweiß zeigte den fachgerechten Obstbaumschnitt.

Herr Morgenschweiß erklärte den Schülerinnen und Schülern der Klasse 8 c, wie die Stift Keppeler Renette und der Kaiser-Wilhelm-Apfel zu ihren Namen kamen. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts arbeitete ein Bürger aus dem Dorf Grund als Bäcker in Stift Keppel. Dort wurden die schmackhaften Äpfel eigener Obstbäume zu Apfelkompott und Kuchen verarbeitet. Der besagte Bäcker nahm von den Stift Keppeler Apfelbäumen einige Edelreiser mit und pfropfte sie auf Unterlagen, die in Grunder Gärten wuchsen. Diese so veredelten Bäume wurden in Grund fortan Stift-Keppeler-Renette genannt. Auch heute wachsen dort noch einige dieser Apfelbäume. Genetische Untersuchungen haben gezeigt, dass es sich hierbei um die Sorte „Doppelter Prinzenapfel“ handelt. Mittlerweile war diese Obstsorte vollständig vom Stiftsgelände verschwunden. Somit ist der 11. 11. 2014 ein wahrhaft historisches Datum für Stift Keppel. Nach langer Zeit kehrt die „Stift-Keppel-Renette“ wieder auf stiftischen Boden zurück. Das gleiche gilt für den Kaiser-Wilhelm-Apfel, die Obstsorte des Jahres 2014. Diese Apfelsorte hieß ursprünglich „Peter Broich“ und war im Rheinland verbreitet. Im Jahr 1877 wurden Äpfel dieser Sorte vom Volksschullehrer Carl Hesselmann Kaiser Wilhelm I. zur Geschmacksprobe mit der Bitte vorgelegt, zukünftig den Namen „Kaiser-Wilhelm-Apfel“ führen zu dürfen. Der Kaiser genehmigte diese Namengebung. Daraufhin begann der Siegeszug dieser Apfelsorte durch das gesamte Deutsche Reich. Leider wurden nach 1945 infolge der Umgestaltung der Landwirtschaft und neuen Siedlungsbau in Deutschland immer mehr der wertvollen Streuobstwiesen vernichtet. Außerdem wurden im Zuge der Verstädterung der Dörfer bis zum heutigen Tag immer mehr Bauerngärten in pflegeleichte Ziergärten umgewandelt, in denen die für die Natur absolut wertlosen endlosen Rasenflächen dominieren, so dass auch vom Kaiser-Wilhelm-Apfel nur noch Restbestände existierten. Insofern ist es wichtig, dass in Streuobstwiesen, wie sie in unserem Naturlehrgarten existieren, auch historische Obstsorten angepflanzt werden. Der Pomologen-Verein Nordrhein-Westfalen unterstützt den Erhalt alter Apfelsorten und die Neuanlage von Streuobstwiesen.
Dank Herrn Morgenschweiß Initiative konnten die Schülerinnen und Schüler der Klasse 8 c an dieser historischen Apfelbaumpflanzung teilnehmen und eine Menge über die Bedeutung alter Obstsorten lernen. Zum Abschluss gab es noch eine Verkostung sortenreinen Safts vom Kaiser-Wilhelm-Apfel, der allen mit seinem fruchtigen Aroma sehr gemundet hat. Ein Geschmackserlebnis der besonderen Art. Handelsübliche Apfelsäfte können da nicht mithalten. Wir bedanken uns bei Herrn Theo Morgenschweiß für seine Initiative, unserem Naturlehrgarten diese historischen Apfelsorten zukommen zu lassen, und dass die Schülerinnen und Schüler an seinem reichen Fachwissen teilhaben durften.
Horst Girod